In den
Morgenstunden liebte es Lieschen Müller, ausgestreckt vor ihrem Häuschen zu
liegen und auf jedes Geräusch zu achten. Sie wartete sehnsüchtig auf das
brummende Geknatter, das der Wecker auf Monas Nachttisch verursachte. Eigentlich
spürte Lieschen ja genau, wann es soweit war. So ein Kribbeln in ihrem Bauch
verriet ihr ganz sicher, wie das beste Uhrwerk der Welt, wann das Frühstück
bereitet wurde. Trotzdem erhöhten sich das Kribbeln und die Vorfreude auf all
die Leckereien, wenn sie schon rechtzeitig vor ihrem Häuschen lag.
Ganz
anders sah Knöpfchen die Sache. Obwohl er beträchtlich mehr Bauchumfang als
Lieschen Müller hatte, so war sein Holzhäuschen doch um einiges kleiner als das
seiner Nachbarin. Er liebte es zu fressen und zu schlafen, aber da er wusste,
dass der Futternapf immer genug Grünes und Saftiges bot und der Platz im
Häuschen ihm durchaus reichte, zog er sich gerne zurück und dachte über all die
großen und kleinen Dinge dieser Welt nach. Sein Temperament war eher bedächtig
und sein Gemüt verträglich. Lieschen Müller dagegen besaß für seinen Geschmack
fast schon ein bisschen zu viel Temperament. Sie war neugierig, putzte
andauernd an ihrem Fell herum und scheuchte Knöpfchen ab und zu hektisch hin
und her. Das gefiel ihm natürlich am allerwenigsten, denn eins stand fest:
Knöpfchen liebte es sehr, sehr gemütlich!
Lieschen
Müller und Knöpfchen lebten bei Mona. Diese hatte ein kleines Holzhäuschen am
Rande der Stadt. Hinter dem Haus lag eine Wiese auf der wuchsen all die leckeren
Pflanzen, die so viele Menschen als Unkraut bezeichneten.
Lieschen
Müller sprang auf und rannte nervös hin und her.
„Frühstück“,
rief sie. Ihre Stimme war hell und piepsig, und sie sprach natürlich so laut,
dass Knöpfchen einen Schrecken bekam. Er hob seinen Kopf ruckartig hoch und
knallte gegen den oberen Türrahmen seines Häuschens. Wie gesagt, sein Häuschen
war ja nicht so groß.
„Dein
Bauch passt nicht ins Haus!“, lästerte Lieschen Müller ab und zu. Anders sah
die Sache mit ihrem Häuschen aus. Das war sehr groß. Aber als Knöpfchen einzog,
lebte sie längst schon hier bei Mona und in ihrem Haus, und sie dachte nicht
daran, ihre Wohnung zu tauschen.
„Ach,
wie das duftet! Guten Morgen, Mona.“ Lieschen Müller stellte sich auf die
kleinen Hinterbeine und streckte ihre Nase empor. „Ich rieche Löwenzahn und Spitzwegerich.“
„Aber,
aber Fräulein Lieschen Müller“, brummte Knöpfchen, streckte sich und gähnte mit
weit aufgerissenem Mäulchen. „Das klingt aber sehr gierig. Nicht gerade sehr damenhaft.“
„Damenhaft
ist mir egal“, quiekte sie und schniefte laut. „Ich bin nämlich nicht nur eine
Dame, ich bin auch ein Meerschweinchen! Grund genug, sich auf das Frühstück zu
freuen.“
Nun
war auch Knöpfchen aus seinem Häuschen gekommen und lief auf Lieschen Müller zu.
„Wie
wahr, wie wahr! Ein Meerschweinchen bin ich auch, meine Gnädigste, und trotzdem mache
ich nicht jeden Morgen so ein Theater!“
Lieschen
Müller pfiff und quietschte in den höchsten Tönen der Empörung.
„Guten
Morgen, meine Lieben, hoffe, ihr habt prima geschlafen.“ Monas Gesicht tauchte
auf. Sie beugte sich über die beiden Meerschweinchen und streichelte ihnen
einmal über den Kopf. Lieschen Müllers Kopf war schwarz, aber der restliche
Körper war weiß. Knöpfchen hatte braunes Fell mit lustigen weißen Flecken auf
dem Rücken. In wilden Büscheln stand das Fell vom Körper ab.
Rosettenmeerschweinchen war die richtige Bezeichnung für diese Rasse. Lieschen
Müller behauptete stets von Adel zu sein, aber Knöpfchen glaubte ihr das nicht
so recht. Und selbst wenn, es hätte ja nichts geändert. Beide lebten wohl
behütet und sehr zufrieden bei Mona, und heute gab es Löwenzahn und Spitzwegerich
zum Frühstück.
Dann
wurde es ganz still. Kein Quietschen und kein Schnattern waren mehr zu hören.
Lieschen Müller saß ganz friedlich neben Knöpfchen und knabberte an einem
Blatt. Knöpfchen lächelte zufrieden, dabei schmatzte er ein bisschen. Die
Meerschweinchen steckten ihre Köpfe in einen Berg saftiger, grüner Leckereien. Die
beiden waren sehr glücklich.
Mona ging
aus dem Zimmer und schloss leise die Tür.
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