Herbie saß auf einem Ast der großen Birke und putzte sein
Gefieder. Gestern war er in einen großen Regenschauer geraten, sodass es keinen
trockenen Flecken mehr auf seinem Körper gegeben hatte. Heute war die Nässe
zwar verschwunden, aber das wunderschöne braune Spatzenkleid musste wieder in
Ordnung gebracht werden. Herbie trällerte ein Liedchen, während er sich hübsch
machte.
„Tu nicht so", piepste eine feine
Stimme, „du kannst ja nicht singen."
Eine Meise flog zu ihm herüber und setzte
sich in einiger Entfernung auf den Birkenast.
„Warum denn nicht?", fragte Herbie
erstaunt. „Hast du denn keine Ohren mit denen du hören kannst? Ich singe doch
die ganze Zeit. Wie kannst du da behaupten, ich könne nicht singen."
Und Herbie holte tief Luft und trällerte
von Neuen ein melodisches Spatzenlied an.
„Nein", empörte sich die kleine Meise
und plusterte sich auf, „das ist doch kein Singen. Nur weil irgendwelche Töne
aus deinem Schnabel kommen, heißt das noch lange nicht, dass du singen
kannst."
Nun wurde Herbie doch ein bisschen böse.
Er stemmte seine Flügel links und rechts in seine molligen Hüften und flötete
mit süßer Stimme: „Na, dann lass mal hören, wie sich dein Gesang anhört."
Die Meise fühlte sich geschmeichelt. Nur
zu gerne würde sie ihren lieblichen Gesang ertönen lassen und alle Menschen und
Tiere, die sich in der Nähe der Birke aufhielten, sollten ihrem betörenden
Liedchen zuhören.
„Was ist jetzt?", nörgelte der Spatz,
während er zwei Federn auf seiner Brust glatt strich.
„Hör gut zu", piepste die Meise
aufgeregt und pfiff und zwitscherte aus voller Kehle ihr Lieblingslied.
Herbie schlug mit den Flügeln bevor er sie
auf seine Ohren legte.
„Hör auf, hör bloß auf", stöhnte er, „das
kann ich mir nicht anhören. Deine Töne klingeln ganz laut in meinem
Kopf."
Die kleine Meise guckte ganz erschrocken.
Mit dieser Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Jeden Tag lauschte sie den
Gesängen der anderen Meisen und fand diese einfach wunderschön.
„Wie kann das sein?", fragte sie
verwundert. „Ich liebe die Töne der anderen Meisen. Ich gerate nahezu ins
Träumen, wenn Lutz, die Meise, die auf der Kastanie wohnt, sein Morgenlied
anstimmt."
Herbie legte den Kopf ein bisschen schief.
Das tat er immer, wenn er überlegte.
„Nun, wenn ich Minna, die hübsche Spätzin
aus der Buchenhecke höre, geht es mir ebenso", stellte er schließlich
fest. „Aber auch sonst mag ich die Melodien der Spatzen weit und breit."
„Mit den Meisen geht es mir ebenso",
antwortete die Meise.
Die beiden sahen sich an, und dann rückte
Herbie näher an den kleinen Vogel mit dem blauen Köpfchen heran.
„Wenn das so ist, dann können wir beide
schön singen", stellte der Spatz schließlich fest. „Und Spaß macht es
auch.“
„Piep, piep, ich heiße Piep", juchzte
die Meise. „Wenn das so ist, dann singen wir mal zusammen."
Und so ertönte aus der großen Birke ein recht
seltenes Duett. Während Herbie die
flottesten Spatzenschlager sang, flötete Piep eine melodische Meisenarie dazu.
Und plötzlich fanden die beiden die Lieder des anderen einfach nur wunderschön.
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